TG hat noch Fragen..

Unser OV-Mitglied Torsten Gostschegk macht sich regelmäßig Gedanken über Dinge, die ihm im Alltag, den Medien oder privat begegnen. Ab sofort werden wir diese in unregelmäßigen Abständen auf unserer Seite abbilden.
Selbstverständlich widerspiegeln die Beiträge seine Sichtweise und erheben keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit

 

Wahlkampf 1.0

Wie schön war es damals, als es noch etwas Besonderes war, „seinen“ Lieblingspolitiker in der Fußgängerzone zu treffen. Dieser kam aus seinem Elfenbeinturm und begab sich zum „einfachen Volk“ in die Stadt. Kein Örtchen war zu unwichtig, und kein Marktplatz war zu klein.

Hatte man ganz viel Glück, schüttelte er einem sogar die Hand, oder hörte sich ein paar Sätze der Sorgen seiner Bürger an. Ein Mann aus dem Volk. Sympathisch und vollkommen uneitel. Dann öffnete sein Chauffeur ihm die Tür vom Dienstwagen, stieg er ein, und war weg. Für die nächsten 4 Jahre.

Zurück blieben zumeist die Parteifreunde der unteren Spielränge, die dann noch fleißig Rosen, Kugelschreiber und Bonbons verteilten. Selbstverständlich überreichte er auch Broschüren und Flyer, aber die konnte er am Ende seiner Schicht wieder vom Boden sammeln weil die sowieso keiner wollte. Blumen und Kugelschreiber hingegen kann man immer gebrauchen.

So ging Wahlkampf damals.

Wie sieht es heute aus? Wie läuft der Wahlkampf 2.0? Hier nun eine irritierende Gleichung. „2=1“ Wir befinden uns quasi immer noch im Wahlkampf 1.0. Wären Computerprogramme wie Wahlkampfveranstaltungen, würde ich hier gerade mit MS DOS kämpfen. Na gut, vielleicht sogar schon Windows 3.1 mit 1,4 MB Diskette, denn es fahren immerhin keine Lautsprecherwagen mehr durch die Straßen.

Warum hält man an solchen Dingen fest? Glaubt tatsächlich irgendein Politiker, dass man ihm aufgrund eines floristischen Geschenkes seine Wahlstimme anvertraut? Müsste ich jeden wählen, oder müsste ich alles kaufen, von dem ich einen Kugelschreiber mein Eigen  nenne, bräuchte ich einen Anbau, um die vielen Sachen einzulagern, und würde wegen Wahlbetruges verhaftet. Auch ich habe natürlich nur eine Stimme. Zeitgleich fliegen hier aber von nahezu allen Parteien irgendwelche Kugelschreiber rum. Glaube ich zumindest. Daran erkennt man den Werbewert eines Billigschreibgerätes. Der tendiert gen Null. (in der Werkstatt arbeite ich mit einem CDU Bleistift von 1990…das weiß ich zufällig, da ich den öfter in der Hand habe) Ich fühle mich aber nicht emotional in der Pflicht, CDU zu wählen.

Oft gibt es keine Veränderungen in Abläufen, weil „es schon immer so gemacht wurde“. Schließlich sitzt man seit Jahren im Landkreisamt oder im Rathaus der Gemeinde. Und da sitzt man schließlich, weil man fleißig Luftballons in Kinderhände gedrückt hat. Nur nichts verändern. Die Frage, die sich stellt ist, sitzt man dort wegen, oder trotz der Werbegeschenke?

Die noch wichtigere Frage aber muss lauten, ob man auf solch sicherem Posten sitzt, dass man keine Veränderung riskiert, und trotzdem die nächsten Jahre sicher im Trockenen sitzen darf.

Schaut man sich die Wahlergebnisse an, stellt man fest, dass gerade in unserer Partei schon die Sektkorken knallen, wenn man ein paar Prozente mehr als die Tierschutzpartei auf dem Zettel hat. Soll das wirklich das Ziel sein?

Warum wagen wir nicht mal etwas Neues? Warum hören wir nicht auf, Menschen in Fußgängerzonen zu belästigen und Briefkästen mit Altpapier zu füllen? Jeder weiß, dass es uns gibt. Jeder, der sich dafür interessiert, wird sich informieren. Jeder, dem es egal ist, wird auch nicht die Zettel lesen.

Ein kluger Mann hat einmal gesagt, dass es Unsinn ist, zweimal das Gleiche zu machen, und auf ein anderes Ergebnis zu hoffen.

Machen wir so weiter wie bisher, schaffen wir es vielleicht auch wieder in den warmen Sitzungssaal. Agieren wir aber einmal mutig, vielleicht sogar mutiger als andere Parteien, dürfen wir eventuell irgendwann einmal an der Stirnseite des Tisches sitzen. Vielleicht nicht gleich als Bestimmer, aber zumindest nicht als der langweilige Onkel, der am Kindertisch Platz nehmen muss.

Wir haben nicht wirklich viel zu verlieren, find ich.